Claudio Lange: Der nackte Feind. Anti-Islam in der romanischen Kunst. Parthas Verlag 2004 Lübeck
In Stein gemeisselte Muezzine rufen lautlos von Fassaden romanischer Kathedralen; Pisas Campanile zitiert das islamische Minarett und kommt allein der eingehängten Glocken wegen in Schieflage… Wir sehen nur, was wir auch wissen – diese Erfahrung macht oft, wer eine gute Museumsführung oder Kunstreise erfährt. Oder sich Claudio Langes Bildband «Der nackte Feind³ gönnt. Bislang schwer deutbare romanische Skulpturen erzählen plötzlich eine verdrängte Geschichte – und der lautlose Muezzin verrät sein tragisches Geheimnis. Beispiel: Im Kreuzgang des Grossmünsters in Zürich sehen wir, nicht etwa versteckt, sondern auf Augenhöhe, eine nackte Person – sowohl in Gebetshaltung, als auch sich gleichzeitig selbstbefriedigend! Die Wirbelsäule zeichnet sich durchs Fleisch ab, so dass der stachlige Rücken die Figur als von oben bis unten dem Stachel der Sünde erliegend denuziert. Weitere pikante Darstellungen wären zu beschreiben – der Bildband zeigt sie, eine Auswahl der Fotoaustellung «Islam in Kathedralen – Bilder des Antichristen in der romanischen Skulptur³ (Berlin Juni 03 – März 04). Und, weil wir nur sehen, was wir wissen, ebenso wichtig die deutenden Texte des freischaffenden Künstlers und Religionswissenschaftlers Claudio Lange, ergänzt um Artikel (Almut Sh. Bruckstein, Gil Anidjar, Claudio Lange), die Kirchen- und Kunstgeschichte, christliche und politische Theologie neu befragen. Zu hoffen, dass diese Sehschule nicht nur die Augen öffnet für verdrängte Polemik, sondern auch hinschauen lernt auf aktuelle Problematik. Zu wünschen: ein Europa, das sich von lebendigen muslimischen Gemeinschaften bereichern lässt, statt sein jüdisch-arabisches Erbe zu verleugnen.